Völkerrecht? Das Auswärtige Amt und die Verfolgung Unschuldiger

Ich bin kein Freund der Russen, aber sie besitzen noch Menschlichkeit, was man von den Deutschen nicht erwarten kann!

Eine abweichende Aussage zum russischen Militäreinsatz in der Ukraine führt in Deutschland vielfach zu Strafverfahren.

Von wegen völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Und plötzlich äußert das Auswärtige Amt eine ganz andere Rechtsauffassung ‒ weil es um Israel geht…
Manchmal gibt es doch kleine Präsente, selbst von der Pressebank des Auswärtigen Amtes (AA). Vermutlich hat man sich mit den übrigen Ministerien nicht so recht abgesprochen, ehe man diese Aussage tätigte.

In der Frage auf der Bundespressekonferenz, die vom Vertreter der NachDenkSeiten, Florian Warweg, gestellt wurde, ging es darum, ob das Auswärtige Amt die Einschätzung teilt, dass Israel im Libanon völkerrechtswidrig handelt und Kriegsverbrechen begeht.

Und die Kernaussage der Antwort der Sprecherin Kathrin Deschauer lautet:
„Zur Frage von Völkerrechtsverletzungen: Wie Sie wissen, ist es nicht an uns, darüber letztendlich zu befinden, sondern die Bewertung dieser Fragestellungen wird üblicherweise von unabhängigen Gerichten auf Basis von Untersuchungen vorgenommen.“

Natürlich wundert es nicht, dass sich das AA wieder einmal mit breiter Brust vor Israels Handlungen wirft, egal wie illegal sie sein mögen. Nur, wenn man diese Bemerkung liest, stellt man sich gleich eine andere Frage: Wenn eine Völkerrechtsverletzung von „unabhängigen Gerichten auf Basis von Untersuchungen“ festgestellt werden muss, wie rechtfertigt das Auswärtige Amt dann die Position, die es bezüglich der russischen Militäroperation in der Ukraine eingenommen hat? Nebenbei bemerkt, gleich am ersten Tag, und ohne die mindesten Zweifel, ganz davon zu schweigen, auf irgendwelche Feststellungen von irgendwelchen Gerichten zu warten (was Deschauer, die schon seit 2011 für das Auswärtige Amt tätig ist, wissen müsste).

Die es bis heute nicht gibt. Die Rechtslage ist ja auch nicht ganz so einfach. Da ist immerhin das zweite Minsker Abkommen, das damals, 2015, vom UN-Sicherheitsrat angenommen und damit zu gültigem internationalen Recht wurde, das also auf jeden Fall in eine Bewertung mit einbezogen werden muss.

Der Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof, den die Ukraine 2022 angestrengt hat, ging bisher nicht so aus, wie Kiew sich das vorstellte: Die Klage hatte zwei Teile. Im ersten sollte festgestellt werden, dass die Ukraine in Donezk und Lugansk keinen Verstoß gegen die Genozid-Konvention begangen hätte, und im zweiten sollte Russland selbst verurteilt werden, weil es durch den Militäreinsatz gegen die Konvention verstoßen habe. Behandelt wird nun der erste Teil, aber nicht der zweite. Und eben dieser erste Teil könnte auch ins Auge gehen, denn es gibt genug Vorfälle und Aussagen, die derartige Absichten belegen.

Da wurde es also nichts mit dem Gericht. Das andere Verfahren, das vor dem Internationalen Strafgerichtshof, ist eigenartig genug, weil selbst das Urteil der Auffassung folgt, man solle elternlose Kinder in einer Kriegszone belassen, weil alles andere eine Deportation sei. Aber wie auch immer man dieses Urteil liest, es liefert dennoch nicht die Bewertung, die das Auswärtige Amt vor wenigen Tagen zur Voraussetzung gemacht hat, um Handlungen als völkerrechtswidrig zu beurteilen.

Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass es in Bezug auf Russland und die Ukraine eben eine solche Feststellung nicht gibt. Auch nicht in Gestalt einer Resolution des UN-Sicherheitsrats, während der kontinuierliche Beschuss des Donbass durch die Ukraine von 2015 bis 2022 als Verstoß gegen die Minsker Vereinbarungen doch eine recht eindeutige Qualität hatte.

Was eigentlich kein Problem wäre, soll das deutsche Außenministerium doch zu seiner Weltsicht kommen, wie es lustig ist, international hat es ohnehin keine Relevanz mehr. Wenn es da nicht diese Verfahren gäbe.

Niemand weiß, wie viele das inzwischen sind, und sie haben vielfache Gestalt. Manchmal reicht schon die Verwendung des Buchstabens „Z“. Oder selbst eine Andeutung, die Ukraine und der Westen wären an der Entwicklung, die zum russischen Eingreifen 2022 führte, nicht unschuldig. Es wurden ganz neue rechtliche Konstrukte erfunden, die nie zuvor angewandt wurden, schon gar nicht in Bezug auf politische Aussagen ‒ niemand, wirklich niemand kannte eine praktische Anwendung des § 140 StGB, Belohnung und Billigung von Straftaten. Plötzlich wurde dieser Paragraf zum Mittel, um jede Russland gegenüber freundlichere Meinung zu unterdrücken.

Der Kern des Ganzen (und es zeigt den miserablen Zustand der deutschen Justiz, dass eben dieser Punkt bisher unangefochten blieb) ist aber, ob da überhaupt eine Straftat ist. Die Straftat, die da sein soll, ist, wie die malerische Floskel lautet, der „brutale, völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg“. Was die Regierung so sagt. Auch Außenministerin Annalena Baerbock, gerne und häufig. Und selbstverständlich agieren die deutschen Staatsanwaltschaften ‒ die, wie wir alle wissen, von der Politik entsprechend angewiesen werden können ‒ eifrigst auf Grundlage eben dieser ‒ Behauptung.
Denn, wie wir seit der jüngsten Äußerung aus dem Auswärtigen Amt wissen: „Die Bewertung dieser Fragestellungen wird üblicherweise von unabhängigen Gerichten auf Basis von Untersuchungen vorgenommen.“

Und dann gibt es auch noch den § 130 StGB, der gewissermaßen maßgeschneidert wurde: Billigung, Leugnung und Verharmlosung von Völkermord oder Kriegsverbrechen. Der inzwischen selbst dann zur Anwendung gebracht wird, wenn jemand erklärt, diese Geschichte damals in Butscha sei ein wenig undurchsichtig. Wozu es ebenfalls bis heute keinerlei internationale Untersuchung gibt. Es gibt nicht einmal eine Namensliste der Opfer, anhand derer sich feststellen ließe, woher sie kamen, und ob sie tatsächlich in Butscha ums Leben kamen. Eigentlich das Minimum, wenn man ernsthafte Vorwürfe erheben will. Egal. Auch hier zählt die Behauptung für die Tatsache.
Hat das Auswärtige Amt diese Aussage also wirklich so gemeint, wie sie da steht? Mit welcher Rechtfertigung haben seine Vertreter dann selbst ständig behauptet, Russland führe einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, ohne dafür einen gerichtlichen Beschluss auf Grundlage festgestellter Tatsachen vorzulegen? Kann man davon ausgehen, dass derartige Aussagen in Ermangelung einer Rechtsgrundlage künftig unterbleiben?

Natürlich ist das noch viel lustiger ‒ schließlich hat der Internationale Gerichtshof im Zusammenhang mit dem israelischen Krieg gegen Gaza bereits festgestellt, dass die Gefahr eines Genozids besteht, und reihenweise Anordnungen erlassen, an die sich Israel ebenso reihenweise nicht gehalten hat. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es letzten Endes zu einer Verurteilung kommen wird. Aber interessanterweise ist hier die deutsche Justiz eher daran interessiert, die Verwendung des Begriffs Genozid in Verbindung mit Israel zu ahnden ‒ welch ein Glück, dass der IGH in Den Haag sitzt und damit ihrem Zugriff entzogen ist.

Ja, es wäre jetzt wirklich interessant, wie das Justizministerium zum oben zitierten Satz des Auswärtigen Amtes steht, und, falls diese Meinung geteilt wird, wie dann all diese Strafverfahren zu rechtfertigen sind.
Das absolute Minimum nach dieser Aussage durch die Sprecherin des AA wäre jedenfalls, vorzulegen, wo und wann denn bitte ein derartiges Verfahren Russland betreffend stattgefunden hat, auf „Basis von Untersuchungen“, unter Einbeziehung aller Fakten und, wie es sich gehört, mit einer angemessenen Möglichkeit der Verteidigung. Andernfalls kann man nämlich in Bezug auf all die Verfahren, die die deutschen Bürger mithilfe der Paragrafen 130 und 140 Strafgesetzbuch ihrer Meinungsfreiheit beraubten, nur feststellen, dass es sich dabei um Rechtsbeugung handelte. Dafür gibt es auch einen Paragrafen. Nein, genaugenommen gibt es zwei. Sie finden sich im letzten Abschnitt des Strafgesetzbuches, Straftaten im Amt. Halt, wenn man die Weisungsbefugnis der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft mit einbezieht, sind es sogar drei.
Der erste ist § 339, Rechtsbeugung. Der beträfe vor allem die Richter. Der Zweite ist der § 344, Verfolgung Unschuldiger. Da ist übrigens selbst der Versuch strafbar. Und dann gibt es noch den § 357, Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat. Nur, damit die versammelten deutschen Justizminister gut schlafen können, hier einmal der vollständige Text:
„(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.
(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.“

Wenn nämlich die vom Auswärtigen Amt vorgetragene Rechtsauffassung so allgemein ist, wie von diesem behauptet (was der Satzteil „wie Sie wissen“ und das Wort „üblicherweise“ implizieren), dann wäre eine Anweisung eines Justizministers, jemanden wegen Äußerungen zu Russlands Handlungen in der Ukraine zu belangen, eine Aufforderung zur Verfolgung Unschuldiger, und damit eine Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat. Und das nicht einmal, sondern dutzend- oder hundertfach.

So zumindest müsste das sein, wäre diese Aussage des Auswärtigen Amtes ernst gemeint und fühlten sich die staatlichen Organe in Deutschland noch an Recht und Gesetz gebunden. Aber natürlich wissen alle, dass diese Bemerkung nur dazu dient, die eigene Beteiligung an einem Genozid zu decken, und dass das Völkerrecht im Grunde ebenso egal ist wie das Strafgesetzbuch oder die Grundrechte.

Wobei, wer weiß, eines schönen Tages könnten sich all diese Paragrafen doch noch unangenehm bemerkbar machen, auch wenn sie heute noch ein ebenso unscheinbares Dasein führen, wie es einmal beim § 140, der „Billigung von Straftaten“, der Fall war.

§ 140 und kein Ende: Kölner Richter, Völkerrecht und Meinungsfreiheit
Vor dem Landgericht Köln läuft aktuell das Berufungsverfahren gegen die Aktivistin Kolbasnikova wegen „Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges“. Der Vorsitzende sucht Rat bei einem Experten zum Völkerrecht, in dem Fall ist aber eigentlich etwas anderes entscheidend. Wir helfen mit beidem.
Das Drama um den Versuch des deutschen Mainstreams, jede Debatte um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens Russlands in der Ukraine mit Mitteln der strafrechtlichen Repression zu unterdrücken, nimmt kein Ende.

Am 11. April hatte RT DE von einem der zahlreichen Strafverfahren berichtet, die bundesweit wegen sogenannter „Billigung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges“ Russlands laufen. Diesmal mit einer oberflächlich betrachtet guten Nachricht: Der vorsitzende Richter am Landgericht Köln, der mit seiner Kammer über die Berufung der „prorussischen“ Aktivistin Elena Kolbasnikova gegen ihre Verurteilung nach § 140 des deutschen Strafgesetzbuches zu befinden hat, möchte einen Völkerrechtler als Sachverständigen hinzuziehen.
Auf der einen Seite ist es schon mal ein Fortschritt, dass ein deutscher Strafrichter – wohl zum ersten Mal in der aktuellen Runde der Repression gegen Andersdenkende – eingesehen hat, dass er mit seiner Ausbildung allein komplizierte völkerrechtliche Sachverhalte nicht beurteilen kann. Für diese selbstkritische Erkenntnis verdient er ohne Zweifel Respekt. Die Einsicht, nicht genug zu wissen, ist immer der erste Schritt zu der Weisheit: Je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich, dass ich nichts weiß.

Andererseits macht der Richter es sich damit unnötig kompliziert. Der Fall ist eher im Verfassungsrecht denn im Völkerrecht zu lösen. Im August letzten Jahres sind wir bereits auf einige Aspekte dieser Strafnorm eingegangen. Offenbar waren wir nicht verständlich genug.

Dabei würde ein einfaches Gedankenexperiment allen Beteiligten dieses und anderer Prozesse aus der juristischen Sackgasse heraushelfen, in die sie sich bewusst oder unbewusst reingeritten haben. Stellen wir uns vor, ein Prominenter erschießt in seiner Wohnung jemanden. Er wird verhaftet, ein Strafverfahren wegen Totschlags wird eingeleitet. Der Fall füllt die Titelseiten der einschlägigen Boulevardzeitungen, auch die „seriöse“ Presse berichtet. Selbstverständlich beginnen Diskussionen: War es Notwehr, war es keine? Würden die Anklagebehörden nun Strafverfahren gegen jeden einleiten, der meint, es sei Notwehr gewesen?

Nein, natürlich nicht. Man würde zumindest den rechtskräftigen Abschluss des Strafprozesses gegen den Prominenten abwarten, bevor es Ermittlungsverfahren gegen Dritte nach § 140 StGB gibt. Und zwar nicht, weil die Staatsanwaltschaften nachlässig sind, sondern weil das Gesetz selbst es vorgibt.

Der Schlüssel ist in der Gesetzesnorm selbst zu finden: Das Billigen muss „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ erfolgen, um strafbar zu sein. Gemeint ist der Rechtsfrieden. „Es muss auch mal gut sein“ ist der zugrundeliegende Rechtsgedanke, jedenfalls im Lichte des Art. 5 Grundgesetz. Dass das und kein anderer Frieden gemeint ist, wird schon daraus sichtbar, dass nach ständiger Rechtsprechung aller höchsten Gerichte das Billigen des abstrakten Verbrechens, auch bestimmter Deliktsgruppen, losgelöst von einem konkreten Fall, nicht strafbar ist.

Der Rechtsfrieden tritt erst ein, wenn der mit der Haupttat befasste Strafprozess rechtskräftig abgeschlossen ist, wenn das höchste zuständige Gericht gesprochen hat. Erst dann ist der „öffentliche Frieden“ überhaupt in der Welt, der durch das Billigen gestört werden kann.

Es muss zumindest das Revisionsgericht (bei schweren Straftaten ist es in der Regel der Bundesgerichtshof) ausgesprochen haben, dass er die vom Tatsachengericht festgestellten Tatumstände unangetastet lässt und dem Urteil in den Schuldspruch tragenden Rechtssätzen beipflichtet. Im Einzelfall könnte es sogar erforderlich sein, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abzuwarten, bevor man öffentliche Debatten abwürgt.

Und was ist die höchste Autorität in völkerrechtlichen Fragen, die den zu schützenden Rechtsfrieden bei Fragen globaler Bedeutung, bei Fragen von Krieg und Frieden schafft? Die Vollversammlung der Vereinten Nationen, wie der Vorsitzende Richter am Landgericht Köln hat anklingen lassen?

Falsch! Die Vollversammlung ist ein rein politisches Organ, sie schafft weder Völkerrecht noch Rechtsfrieden. Was dort geäußert oder mehrheitlich beschlossen wird, ist kein Völkerrecht, sondern auch nur eine Meinung darüber, was Völkerrecht ist. Die Mehrheitsmeinung ist nicht immer richtig, wie uns die Geschichte lehrt. Sonst wäre die Erde eine Scheibe, die Sonne würde sich um sie drehen und Hitler wäre eine gute Wahl des deutschen Volkes gewesen.
Aus guten Gründen schützt Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes nicht nur die Mehrheitsmeinung, sondern jede Meinung, ja sogar in erster Linie die „abstruse“ Mindermeinung der wenigen „Verblendeten“. Manchmal stellt sich eben, nachdem Galileo Galilei gerichtet und Kopernikus zensiert wurden, heraus, dass die Erde keine Scheibe ist und sich um die Sonne dreht.

Sie glauben nicht, dass die Resolutionen der UN-Vollversammlung kein Völkerrecht sind? Dann schauen wir doch zusammen in Artikel 38 Absatz 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH), der in allen Lehrbüchern des Völkerrechts ohne Ausnahme im Kapitel „Quellen des Völkerrechts“ zitiert wird. Drei primäre Quellen sind dort aufgezählt und zwei Hilfsmittel, derer sich die Richter des IGH bei ihren Entscheidungen bedienen dürfen:
„Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitfälle nach Völkerrecht zu entscheiden, wendet an:
a) die internationalen Abkommen allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den im Streit befindlichen Staaten ausdrücklich anerkannte Normen aufgestellt sind;
b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung;
c) die von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze;
d) unter Vorbehalt der Bestimmung des Artikels 59 die gerichtlichen Entscheidungen und die Lehren der anerkanntesten Autoren der verschiedenen Völker als Hilfsmittel zur Feststellung der Rechtsnormen.“
Das ist nach allgemeiner Auffassung der abschließende Katalog der Quellen des Völkerrechts, Resolutionen der UN-Vollversammlung sucht man darin vergebens.
Aber vielleicht sagt die Charta der Vereinten Nationen, ihrerseits ein internationales Abkommen im Sinne des oben zitierten Katalogs, etwas anderes? Die Befugnisse der Generalversammlung sind in den Artikeln 10 und 11 der Charta aufgeführt:

Artikel 10

Die Generalversammlung kann alle Fragen und Angelegenheiten erörtern, die in den Rahmen dieser Charta fallen oder Befugnisse und Aufgaben eines in dieser Charta vorgesehenen Organs betreffen; vorbehaltlich des Artikels 12 kann sie zu diesen Fragen und Angelegenheiten Empfehlungen an die Mitglieder der Vereinten Nationen oder den Sicherheitsrat oder an beide richten.

Artikel 11

(1) Die Generalversammlung kann sich mit den allgemeinen Grundsätzen der Zusammenarbeit zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einschließlich der Grundsätze für die Abrüstung und Rüstungsregelung befassen und in Bezug auf diese Grundsätze Empfehlungen an die Mitglieder oder den Sicherheitsrat oder an beide richten.

(2) Die Generalversammlung kann alle die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Fragen erörtern, die ihr ein Mitglied der Vereinten Nationen oder der Sicherheitsrat oder nach Artikel 35 Absatz 2 ein Nichtmitgliedstaat der Vereinten Nationen vorlegt; vorbehaltlich des Artikels 12 kann sie zu diesen Fragen Empfehlungen an den oder die betreffenden Staaten oder den Sicherheitsrat oder an beide richten. Macht eine derartige Frage Maßnahmen erforderlich, so wird sie von der Generalversammlung vor oder nach der Erörterung an den Sicherheitsrat überwiesen.

Wir lesen: Die Vollversammlung kann sich befassen und sie kann Empfehlungen abgeben. Nichts weiter. Daraus folgt, dass ihre Beschlüsse nicht verbindlich sind, und das ist die allgemeine Auffassung in der Völkerrechtslehre.

Völkerrechtlich bindend waren bislang laut UN-Charta nur die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, aber nachdem neulich der UN-Botschafter der USA die überraschend beschlossene Resolution zum Waffenstillstand im Gaza-Streifen prompt für nicht bindend erklärte, ist wohl selbst das nicht mehr unumstritten.
Übrigens, die im Statut des IGH erwähnten „Lehren der anerkanntesten Autoren der verschiedenen Völker“ sind nur Hilfsmittel, die das höchste Weltgericht berücksichtigen darf, nicht muss. Nicht dass der in Köln bestellte Sachverständige sich erdreistet, seine Person zur höchsten Autorität im Völkerrecht zu erklären. Auch seine Meinung ist nur eine Meinung wie jede andere, völlig unabhängig von seinem innerstaatlichen Rang und dem Ausmaß seines Egos.

Was ist dann also die höchste Autorität im Völkerrecht, die berufen ist den Rechtsfrieden zu schaffen, den anschließend – und keineswegs davor – sich das deutsche Strafgesetzbuch erdreisten darf zu schützen? Das obige Zitat aus seinem Statut deutet es schon an: Es ist der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen.

Der IGH hat aber noch nichts zu der völkerrechtlichen Einordnung der russischen Intervention in der Ukraine gesagt. Seine dieses Jahr verkündeten Entscheidungen in Klageverfahren der Ukraine gegen Russland zeigen nur eines: dass nichts so eindeutig ist, wie es dem autoritär agierenden deutschen Mainstream erscheint.

Vor allem hat der IGH die russischen Behauptungen des Völkermordes in der Ukraine nicht prima facie zurückgewiesen, wie es Kiew wollte, und wird sich in den nächsten Jahren mit den Argumenten und Beweisen Russlands befassen. Allein die Tatsache, dass die Ukraine Donezk über Jahre und bis heute von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten hat (das haben die deutschen Medien natürlich nicht berichtet, es wird dadurch jedoch nicht weniger wahr), wird Kiew ins Schwitzen bringen. Von dem jahrelangen rein terroristischen Beschuss von Zivilisten im Donbass, Äußerungen ukrainischer Beamter und Politiker bis hin zu Präsident Selenskij, die Vertreibung und Vernichtung ankündigten, ganz zu schweigen.

Dem IGH stehen viele Jahre Factfinding bevor und wir werden in einem weiteren Artikel in den nächsten Tagen anreißen, warum Russlands Intervention mit einem hohen Grad an Sicherheit völkerrechtlich gerechtfertigt ist. Ich verstehe jedoch nicht, warum der Kölner Richter – Richter müssen schon zum Selbstschutz faul sein – die Arbeit des einzig dazu berufenen internationalen Spruchkörpers vorwegnehmen will. Warum er vom einfachen deutschen Strafverteidiger einen Vortrag zu Russlands Argumentation fordert, der notwendigerweise mehrere Tausend Seiten umfassen müsste. Will er auch Tausende Zeugen aus Donezk und Lugansk vernehmen, Militärexperten beiziehen, klassifizierte Unterlagen in Washington anfordern?
Sein Job heute ist wesentlich leichter als er denkt. Er besteht darin zu sagen: In diesem Stadium – solange der IGH nicht abschließend geurteilt hat – sind kontroverse Diskussionen zulässig, stören den nicht vorhandenen (Rechts)Frieden nicht und unterfallen deshalb schon tatbestandlich nicht § 140 Nr. 2 StGB. Von Artikel 5 Grundgesetz sind sie ohnehin geschützt, dazu braucht er hoffentlich keinen Verfassungsrechtler als Sachverständigen.

Na klar, Mut braucht es dazu angesichts der neuen deutschen Staatsräson …
Donbass – Das war auch nach deutschem Recht ein Genozid
23 Feb. 2022

Bundeskanzler Olaf Scholz hält es für einen Scherz. Aber der Ablauf der Ereignisse im Jahr 2014 erfüllt die Kriterien, die das deutsche Strafrecht für das Verbrechen des Genozids aufstellt. Scholz wäre besser beraten, das ernst zu nehmen.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist derart überzeugt davon, der Krieg im Donbass habe nichts mit einem Genozid zu tun, dass er vor den Fernsehkameras darüber lacht. Aber er hat Unrecht; er hätte vor seiner letzten Reise nach Moskau etwas gründlicher die Akten studieren sollen. Denn seine völlige Missachtung dieser Frage könnte dazu beigetragen haben, dass die Russische Föderation einen ökonomischen Suizid Deutschlands geschehen lässt.

Das deutsche Recht definiert den Genozid in §6 des Völkerstrafgesetzbuches.

Dort steht:
(1) Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören,
1. ein Mitglied der Gruppe tötet,
2. einem Mitglied der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
3. die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
4. Maßregeln verhängt, die Geburten innerhalb der Gruppe verhindern sollen,
5. ein Kind der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt,
wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
Also betrachten wir einmal die Entwicklung zum und im Bürgerkrieg in der Ukraine, ob sich darin Vorfälle finden, die der Definition eines Genozids nach dem deutschen Recht entsprechen.

Wie ist es beispielsweise mit dem Aufruf Kolomoiskijs von Mitte April 2014, als der damalige Gouverneur von Dnjepropetrowsk ein Kopfgeld auf „Separatisten“ aussetzte? Hat das womöglich zu den Ereignissen in Odessa beigetragen? War das nicht bereits ein Aufruf zum Völkermord, da jeder, der sich für eine Bewahrung russischer Kultur und Sprache in der Ukraine einsetzte, schon damals als „Separatist“ gezählt wurde?

Ebenfalls im April kam bereits die Meldung, das Gesundheitsministerium der Ukraine habe den einzigen ukrainischen Produzenten von Insulin angewiesen, die Lieferungen in den Südosten um 65 Prozent zu reduzieren. Tatsächlich war damals im Südosten kein Insulin mehr zu bekommen.

Das wäre dann Absatz 1.3.

Ende April 2014 wurde durch Kiew der Nord-Krim-Kanal blockiert, um die Krim von der Wasserversorgung abzuschneiden. Der einzige offene kriegerische Akt, den die Ukraine gegen die Krim gewagt hat; aber auch hier – kein Fall von 1.3?
Das Massaker von Odessa muss man dabei nicht ausführlicher betrachten; das fällt zweifelsfrei unter Absatz 1.1. Aber rundherum und danach findet sich noch wesentlich mehr.

Am 2. Mai 2014 gab es die ganz große Ausnahme, einen Artikel über Slawjansk in der Zeit, der tatsächlich einmal die Wahrheit abbildete: „Hier am Rande von Slowjansk läuft ein militärischer Einsatz, der der Kiewer Regierung die Macht in der Ostukraine zurückbringen soll. Die Armee hat die Stadt von allen Seiten eingekesselt. Sie ist gekommen, die Stadt zu befreien. Doch die Befreier sind hier nicht willkommen.“

Mariupol, am 09.05. 2014, als die Nationalgarde in die Stadt stürmte und wahllos in die Menge schoss. Ein Ereignis, das damals zumindest der britische Fernsehkanal itv so kommentierte: „Das ist ein eigenartiger Weg, einfache Leute davon zu überzeugen, dass sie eine Zukunft in einer einigen Ukraine haben.“
Das, was in Mariupol geschah, löste übrigens in der britischen Presse ein letztes Aufmucken aus. Selbst der Guardian hat damals berichtet, was wirklich geschah.

„In Mariupol herrschte eine Atmosphäre der Wut, nachdem die ukrainische Armee abzog, verstärkt durch die Tatsache, dass viele Menschen von den vorhergehenden Feiern zum Tag des Sieges berauscht waren. In der Menge brachen einige Kämpfe aus, aber der meiste Ärger richtete sich gegen Kiew.
„Wir werden nie wieder mit diesen dreckigen Faschisten leben.. die Ukraine ist vorbei“, sagte Wladimir, 27. „Man stelle sich vor, am Tag des Sieges hierherkommen und sowas anrichten.“
Im Café Arbat, vor dem am Boden noch Blutlachen sichtbar sind, sagte eine der Kellnerinnen Lena, dass drei unbewaffnete Männer von ukrainischen Soldaten erschossen wurden.

„Bis heute war ich nicht für die eine oder andere Seite, aber nachdem ich das gesehen habe, fühle ich mich so, dass ich selbst eine Waffe in die Hand nehmen und diese Leute töten möchte,“ sagte sie.“

In Odessa konnte zumindest noch behauptet werden, es handle sich um politische Gegner. In Mariupol wurde einfach auf Menschen gefeuert, die den Tag des Sieges feierten, was auch in der Ukraine bis zum Putsch üblich gewesen war. Aber wie die Ereignisse von Odessa wurden die von Mariupol in der deutschen Presse nicht berichtet. In Russland allerdings schon; an jenem Tag wurde ein Reporter von RT in Mariupol angeschossen.

Zwei Tage danach fand im Donbass das Referendum über die Unabhängigkeit statt. Auch da kam es zu einem Überfall, auf ein Wahllokal, in Krasnoarmensk. Die Aufnahmen davon sollte das ZDF später als „separatistischen Terror“ verkaufen.

Mitte Mai ist Slawjansk bereits eingeschlossen und wird mit schwerem Geschütz beschossen. Eingeschlossen bedeutet, die Zugänge zur Stadt werden von der ukrainischen Armee blockiert; die Wasserversorgung wurde unterbrochen; humanitäre Transporte, wie Lebensmittel, werden behindert.
Ein Blick ins Kriegsrecht besagt, dass eine Zerstörung der lebenswichtigen zivilen Infrastruktur ebenso ein Kriegsverbrechen ist, wie das Behindern humanitärer Versorgung. Eigentlich müsste auch ein Fluchtkorridor für die Zivilbevölkerung gewährleistet werden. Stattdessen wurde die Stadt aus Panzern und mit Artillerie beschossen und abgeriegelt. Und noch einmal – die Menschen im Donbass wie auch in Russland konnten diese Entwicklung sehr genau verfolgen, während sie in hiesigen Medien nicht stattfand.

Nach den Ereignissen in Odessa und Mariupol, wie wirkt dann die Kriegsführung der ukrainischen Armee in Slawjansk? Wäre das Ziel „nur“ eine Vertreibung, die Fluchtkorridore wären weit geöffnet. Wäre das Ziel eine echte Wiedereingliederung in die Ukraine, man hätte peinlich genau darauf geachtet, die zivile Infrastruktur nicht zu beschädigen. Eine Belagerung, die darauf abzielt, die Bevölkerung auszuhungern, weckt aber im kollektiven Gedächtnis Russlands eine ganz andere Erinnerung. Die an Leningrad. Und das Ziel der Nazis bei der Belagerung von Leningrad war die Auslöschung der Bevölkerung, der Genozid.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt konnte man sagen, dass, sollte im Donbass kein Völkermord beabsichtigt sein, zumindest eine ziemlich überzeugende Imitation geliefert wurde.
Am 30. Mai 2014 gab es einen Versuch, hundert Kinder aus Slawjansk auf die Krim zu evakuieren. Der Bus durfte die Stadt nicht verlassen, die unter ständigem Beschuss lag.

Am 06.06. lautete die Botschaft der G7 an Kiew: „Wir ermutigen die ukrainischen Behörden, ein gemäßigtes Herangehen bei der Fortsetzung der Operationen zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung beizubehalten.“ An diesem Datum lag Slawjansk bereits mehrere Tage unter Dauerfeuer. Am 08.06. erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: „Das Ergebnis militärischer Operationen in der Ost-Ukraine darf nicht sein, dass die Separatisten noch mehr Zulauf bekommen.“

Die Wiedergabe der Kriegshandlungen in der westlichen Presse? „In der von prorussischen Separatisten gehaltenen Stadt Slawjansk im Osten der Ukraine hat es neue Kämpfe gegeben. Fünf Gebäude seien dabei stark beschädigt worden, berichtet ein AP-Reporter.“ Die einzigen fünf Gebäude, deren Zerstörung während der gesamten Belagerung von Slawjansk erwähnt wurde.
Am 11.06. tauchen Belege über die Verwendung von Phosphorbomben auf. Es gibt auch Aufnahmen von Verwundeten mit entsprechenden Brandverletzungen. Die Phosphorbomben fallen in Wohngebieten. Phosphor brennt sich bei Berührung in die Haut, und der Dampf ist hochgiftig. Der Einsatz von Brandwaffen gegen Zivilpersonen oder dort, wo es zu „Kollateralschäden“ kommen kann, ist nach den Zusatzprotokollen zum Genfer Abkommen von 1977 verboten. Das nächste Kriegsverbrechen.

Am 12.06. behauptet die Regierung Poroschenko, es gebe Fluchtkorridore aus Slawjansk. Die örtliche Bevölkerung bestreitet das. Der ukrainische Verteidigungsminister erklärt, die Bevölkerung müsse in Filtrationslager.
Am 16.06. meldet die Kyivpost, Angehörige der ukrainischen Armee würden im Südosten kostenlos Land erhalten. Eine Ansage mit einem Unterton. Schließlich ist auch im Donbass Grund und Boden nicht herrenlos; was gegeben wird, muss zuvor jemandem genommen werden.

Immer noch kein Genozid?

Am 23.06. wird gemeldet, dass die ukrainischen Truppen angefangen haben, das Umland von Slawjansk zu verminen. Am 02.07. gibt es ein Interview der deutschen Politikerin Marie-Luise Beck mit dem Deutschlandfunk, in dem sie zum Bruch einer vorübergehenden Waffenruhe durch die ukrainischen Truppen erklärt, das sei reine Fürsorglichkeit gegenüber der Zivilbevölkerung, weil ja Strom und Wasser in der Gegend nicht mehr funktionierten… am selben Tag melden die Milizen aus Kramatorsk, das genauso eingeschlossen ist wie Slawjansk, Beschädigungen an über hundert Gebäuden durch den Beschuss, und völlige Zerstörung einiger. Die BBC besaß zumindest noch den Anstand, darüber zu berichten.

Kramatorsk wurde unter anderem, das war an den Geschossüberresten zu identifizieren, aus Raketenwerfern BM-30, Smerch, beschossen, und auch die genaue Munition war erkennbar, 9M55K. Damals suchte ich heraus, worum es sich dabei handelt: „Diese Dinger enthalten jeweils 72 Stück Submunition, deren jedes sich wieder in 400 Schrapnelle aufteilt, macht je Rakete 72 x 400 = 28.800 Metallsplitter, von denen jeder einzelne tödlich sein kann. Eine Salve von 12 Raketen entspricht 345.600 solcher Splitter.“

Diese Munition war von der Sowjetunion entwickelt worden, um gegen feindliche Truppen eingesetzt zu werden. Nun wurde diese Munition von der ukrainischen Armee auf Städte abgefeuert, auf Plätze oder mitten in Märkte.

Kein Genozid?

Die britische Daily Mail zieht übrigens am 03.07.2014 in einem reichlich bebilderten Artikel zu den Angriffen auf die Zivilbevölkerung im Donbass eine Parallele zum Unternehmen Barbarossa und unterstreicht das mit entsprechenden Fotos. Wenn selbst Briten über die Ähnlichkeiten stolpern, die unter anderem in der völligen Rücksichtslosigkeit gegenüber der Zivilbevölkerung bestehen, wie sollen das dann jene sehen, die das Ziel des

Unternehmens Barbarossa waren?

Es gibt nach wie vor keine Belege für das, was in jenen Donbass-Orten geschah, die von der ukrainischen Armee eingenommen wurden. Nur Gerüchte. Aber es gibt Orte, die später wieder von den Donbass-Republiken zurückerobert wurden. Und es gibt Aussagen der Kiewer Führung, die immer wieder die Parallelen zum zweiten Weltkrieg verstärken.

Am 12.07. erklärt Poroschenko, für jeden getöteten Teilnehmer der Anti-Terror-Operation sollten hunderte „Separatisten“ mit dem Leben bezahlen. Auch Poroschenko ist in der Sowjetunion aufgewachsen und kennt daher die Wehrmachtsbefehle zur Vergeltung von Partisanenangriffen. Er wusste also, welche Erinnerung er aufruft. Die deutsche Presse gab diese Aussage unkommentiert wieder; am selben Tag erklärte Regierungssprecher Seibert, Merkel habe Poroschenko ermahnt, „bei seinem legitimen Vorgehen gegen die Separatisten die Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Zivilbevölkerung zu schützen.“

Nur, damit die historischen Vorbilder klar sind – hier das Original. Fernschreiben des Wehrmachtsbefehlshabers im Südosten, Wilhelm List, vom 04.10.1941 (Katalog „Verbrechen der Wehrmacht“, S. 516)
„Treten Verluste an deutschen Soldaten oder Volksdeutschen ein, so haben die territorial zuständigen Kommandeure bis zum Rgts.Kdt. Abwärts umgehend die Erschiessung von Festgenommenen in folgenden Sätzen anzuordnen:
a) für jeden getöteten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen (Männer, Frauen oder Kinder) 100 Gefangene oder Geiseln
b) für jeden verwundeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen 50 Gefangene oder Geiseln

Die Erschießungen sind durch die Truppe vorzunehmen.“
Und dann passierte MH17, und alles, was in den Donbass-Republiken geschah, verschwand endgültig hinter einer Wand des Schweigens.
Die Waffen, die von ukrainischer Seite auf die Bewohner gerichtet werden, werden währenddessen immer größer. Am 30.07. ist es bereits eine Totschka-U-Rakete (NATO-Bezeichnung Scarab), ein Sprengkopf von einer halben Tonne, dessen Schrapnelle sich auf 30.000 Quadratmetern verteilen. Passend dazu erklärt ein ukrainischer Journalist in einer Fernsehsendung, es gebe in der Donbass-Region „sehr viele absolut unnütze Menschen.“

„Wir müssen das ukrainische nationale Interesse verstehen und einsehen, und den Donbass einfach als Ressource verwenden Ich habe kein Rezept, wie man das Problem „Donbass“ lösen kann, aber das Wichtigste, was gemacht werden muss, ist Folgendes: einen Teil der Bewohner muss man einfach töten.“
Der betreffende Herr ist Kolumnist der Zeitschrift „Ukrainische Woche.“ Das entsprechende Video wurde inzwischen von Youtube gelöscht. Das gilt für die meisten Videobeweise. Aber ein Video, das die Überreste ziviler Fahrzeuge zeigt, die von ukrainischen Truppen beschossen wurden, existiert noch.

Das Muster, das sich bei den Kämpfen um Slawjansk findet, wiederholte sich auf größerer Skala bei Donezk und Lugansk. Es wurde versucht, sie einzukreisen und die Infrastruktur zu zerstören. Die Straßen in Richtung der russischen Grenze, der naheliegende Fluchtweg für die Einwohner, wurden besonders massiv beschossen. Ginge es um Vertreibung, wäre das nicht geschehen.

Im September, nachdem es durch Minsk I zum ersten Gefangenenaustausch gekommen war, tauchten auch die ersten Berichte über Folter von Gefangenen und willkürliche Morde auf. Es gibt ein Video von damals, das von Journalisten der Komsomolskaya Prawda gedreht wurde, in dem die Freigelassenen unmittelbar nach der Übergabe befragt wurden, also in einer Situation, in der vorherige Absprachen unmöglich waren. Die Erzählungen belegen die Vorwürfe.
In den Orten des Donbass, aus denen die ukrainischen Truppen wieder vertrieben wurden, wurden Massengräber gefunden.

Das deckt sich mit Aussagen von Bewohnern dieser Orte; ist aber selbstverständlich kein Beweis, den irgendjemand im Westen anerkennen würde. Genauso, wie die Videos von Gräueln, die Angehörige des Rechten Sektors gerne posteten, wie Aufnahmen von Hinrichtungen verschiedenster Art, in Deutschland nicht ernst genommen würden. Aber es gibt bereits seit dem Sommer 2014 eine Sonderstaatsanwaltschaft in Moskau, die damit befasst ist.

 

Ich würde annehmen, dass die Unterlagen, die die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa Bundeskanzler Scholz versprochen hat, aus der Arbeit dieser Staatsanwälte stammen. Und wenn ich daran denke, was ich selbst 2014/2015 in Videos alles gesehen habe, die leider aufgrund der Löschungen durch Youtube nicht mehr greifbar sind, hat sie sicher Recht damit, dass diese Bilder schrecklich sind.

Aber zurück zur Ausgangsfrage. Die Art der Kriegsführung, die die ukrainische Armee praktizierte, erfüllt voll und ganz die Formulierung des § 6 Artikel 1.3 des deutschen Völkerstrafgesetzes: „die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.“ Und die ukrainische Seite hat ihre Absichten noch nicht einmal verborgen. Nur die deutschen Politiker und Medien haben nie aufmerksam hingehört.
Wer keine zivilen Fluchtkorridore gewährt und Wohnviertel unter Artilleriefeuer nimmt, Strom-, Gas- und Wasserversorgung sabotiert, ja selbst die Nahrungsversorgung zu blockieren versucht, der beabsichtigt unverkennbar einen Genozid. Es ist an der Zeit, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen.